Grünes Wohnzimmer zum Flanieren, Verweilen und Staunen
- Saskia
- 27. Juni 2024
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Aug. 2024
Wenn's mitten im Grünen noch viel grüner wird, dann hast du deinen Weg ins Freizeitzentrum Finkenrech gefunden.
Abenteuer-Steckbrief:
Region: Landkreis Neunkirchen
Kinderwagentauglich: ja
Strecke: auf den Rundwegen durch das Gelände ca. 2 km
Highlights: Spielplatz für die ganz Kleinen, Wasserspiele und Teich, Hasen und Esel
Einkehrmöglichkeiten: Restaurant Botanico mit Sonnenterrasse
Nachdem der Sommer 2024 seinem Namen wochenlang keine Ehre gemacht hat, strahlt die Sonne Ende Juni auf einmal unverschämt schön, als hätte sie nie etwas anderes getan. Der wolkenfreie Himmel begleitet uns auf der L303 zwischen Dirmingen und Tholey, alles fühlt sich fast provenzalisch an. Nur dass der Wind statt Lavendel Kornblumen und Mohn auf den Weiden und Feldern dazu bringt, ihre Köpfe aneinander zu lehnen. Die ausgedehnten aber moderaten Erhebungen des Prims-Blies-Hügellandes lassen das Fernblicke-Herz höher schlagen. Dann links, eine unscheinbare Straße, die eins der Felder teilt und geradewegs ins grüne Paradies führt. Das Freizeitzentrum Finkenrech ist Teil der Initiative “Gärten ohne Grenzen”, die im Rahmen der Förderung deutsch-französischer Zusammenarbeit ins Leben gerufen wurde und mittlerweile 23 Anlagen umfasst.
Ein alter Baumbestand säumt den Weg. Wir parken unter einer wunderschönen Kastanie und während unser Wirbelwind auf der Rückbank sein Morgenschläfchen zu einem Ende bringt, sitzen wir vorn, blicken stumm über das Tal der Ill und wünschen uns nichts, außer diesen Moment.

Willkommensgruß inklusive
Aufgewacht. Einer schultert den Wirbelwind in der Kraxe, der andere schiebt den leeren Kinderwagen samt Proviant (Spoiler: es wäre ein Fehler, diesen Ausflug ohne gut gefüllten Picknickkorb zu unternehmen). Die Wege des kompletten Areals sind mit dem Kinderwagen gut zu efahren und daher das perfekte Ziel für Familien mit kleinen Kindern.
Die Natur begrüßt uns gleich zu Beginn mit einem langgezogen Määääh und dem unverwechselbaren Geruch frischer Landluft. Schafe, Ziegen und Esel grasen auf der Weide, erholen sich von ihrem Ausritt mit der letzten Kindergartengruppe. Einer sticht besonders ins Auge. Fast Pferde-Größe, zotteliges langes Fell und das treue Gesicht eines Tiers, das man einfach nur gern haben möchte. Wir lernen auf der Hinweistafel, dass wir hier einem von nur noch 1000 Exemplaren gegenüberstehen: Der Poitou-Esel aus dem Südwesten Frankreichs war bis vor Kurzem noch vom Aussterben bedroht. Hier zupft er Halme von der Wiese und lässt sich vom Tierpfleger den Rücken kraulen. Unser Wildfang beobachtet alles aus sicherer Entfernung. Gleich nebenan befindet sich "Hoppelhausen", das Kaninchengehege, in dem die flauschigen Tierchen faul im Schatten liegen.
Flanieren in den Themengärten
Seit wir Eltern sind, ist das Flanieren zu unserem neuen Wandern geworden - man weiß nicht, was der Tag bringt, also planen wir keine festen Routen mehr, sondern spazieren in aller Ruhe drauflos. Aber heute wollen wir uns die verschiedenen Themen der Gärten zunutze machen und gehen den Tag ausnahmsweise systematisch an. Weil man mit Baby gefühlt doppelt so lange packt und vorbereitet, als man überhaupt unterwegs ist, ist es schon kurz vor Mittag. Die Sonne brennt unbarmherzig vom Himmel, daher starten wir im schattigsten Teil der Anlage, in dem es fernöstlich wird: Im Asiatischen Garten, wo sich Rhododendren mit Fächerahorn paaren und ein dichter Tunnel aus Bambus Schatten spendet an heißen Sommertagen. Das Plätschern des Karpfenteichs begleitet uns auf den schmalen Pfaden, auf denen uns Farne an den Beinen kitzeln. Der Rundweg leitet uns zum Zengarten und als wir dort ankommen, sind wir schon so entspannt, dass wir das Harken gar nicht mehr nötig haben.
Die Anlage ist liebevoll durchdacht und sehr gepflegt, was vermutlich auch mit ihrem eher abgelegenen Standort zusammenhängt: In Stadtnähe würde der Park wahrscheinlich deutlichere Spuren seiner Besucher zeigen. Aber man hat den Eindruck: Wer hier verweilt, der weiß die Arbeit zu schätzen, die hier einfließt. Ein paar Gärtnerteams sind immer irgendwo am Graben, Zuppeln, Abstechen. Auch sie wirken irgendwie entschleunigt: zumindest bei dem heißen Wetter ist das Arbeitstempo dem der lustwandelnden Gäste angepasst.
Picknickzeit = schönste Zeit
Unsere Bäuche knurren. Früher galt bei uns das Motto: ausgiebig gerastet und gegessen wird nach getaner Arbeit, sprich: wenn die Füße schon viele Kilometer gemeistert haben. Heute kommen wir nicht mehr so weit und stellen fest: auch eine frühe Rast hat ihre Berechtigung.
In weiser Voraussicht und als Teil unseres Systems haben wir eine große Picknickdecke eingepackt, die wir im nächsten Themengarten auf der sattgrünen Wiese ausbreiten - eingerahmt von der Staudenstraße, in der heimische Stauden ihre Blütenköpfe zur Sonne recken. Aus botanischer Sicht ist diese Rasenfläche wahrscheinlich das unspektakulärste Grün der Anlage, trotzdem ein Highlight. Wunderschöne alte Bäume spenden Schatten und teilen die Fläche in verschiedene Ebenen. Im Schatten eines uralten Nadelbaums machen wir es uns gemütlich und futtern Nudelsalat, belegte Brötchen und Wassermelone. Ein paar Meter weiter, versteckt hinter dem nächsten großen Baum, singt eine Krabbelgruppe. Wir sitzen gut eine Stunde unter dem Baum und genießen das Glück des Lebens, das für uns so viel gar nicht braucht: Natur, Familie und Momente des Innehaltens.

Ein Bauerngarten zum Niederknien
Frisch gestärkt und müde getippelt gibt unser Tagesrhythmus nun das zweite Tag Schläfchen vor. Weder die Kraxe noch der Kinderwagen sind geeignete Schlafstätten (da kann man viel zu viele interessante Sachen entdecken), aber wir haben auch noch Babys Trage eingepackt. Bei den Temperaturen nicht unbedingt die beste Lösung, aber immerhin die zielführendste. Noch eine Runde durch den asiatischen Garten, ein bisschen Geschaukel und Gesumme, ein paarmal schnatternden Seniorengruppen ausweichen, dann schläft der Wirbelwind und wir haben Zeit, in den Details zu versinken. Wo ginge das besser als im Bauerngarten, der mit Staketenzaun und Gemüsebeet auch genauso gut Kulisse für einen Liebesfilm in einem Alpen-Dorf sein könnte. Über einem steinernen Hochbeet, das an einen alten Brunnen erinnert, schlängelt sich der Wein an einem Rankgerüst. Noch ein paar Wochen, dann sind die Trauben reif. Neidvoll stehen wir vor den Gemüsebeeten. Aber immerhin: Der Kohlrabi ist den Schnecken zum Opfer gefallen - auch ein Traumgarten ist den Nachwehen monatelangen Regenwetters nicht gefeit.

Wer von sich sagt, ein guter Gärtner zu sein, wird das bei dem Anblick nochmals überdenken
Vom Bauerngarten, der sich hinter einer Hainbuchenhecke versteckt, geht es durch einen Torbogen in den Heilpflanzen-Garten. Wer von sich sagt, ein guter Gärtner zu sein, wird sich das dort noch einmal überlegen. Große Inselbeete teilen die Wege, dicht bewachsene Mikro-Oasen, eine Blütenfülle zum Niederknien. Es ist schwer, sich für eine Richtung zu entscheiden, in der man an den Inseln vorbeiläuft, zu groß ist die Angst, die andere Seite zu verpassen.
An den Themengarten Heilpflanzen schließt sich der Rosengarten an, der Inbegriff von Romantik, wunderschön anzusehen. Aus der Luft lässt sich erkennen: Die Gartenbauer hatten ebenfalls ein großes Herz für Romantik, denn der Garten ist in Form einer Rose angelegt.
Zwischendrin entdecken wir immer wieder bunte Infotafeln, auf denen sich Kinder im Rahmen einer Rallye über Flora und Fauna der Anlage informieren können. Wer sich dafür zu alt fühlt, kann sich vornehmen, die vielen kleinen Lauben zu zählen, die sich in die lauschigsten Ecken der Anlage schmiegen. Eine Ruhebank hier, ein viktorianisch angehauchtes, unter Rosen verstecktes Eisenbänkchen dort. Auf jeder will man rasten und einfach nur ins Grün schauen. So geht Entschleunigung.
Langsam wird der Wirbelwind wach, die Geduld in der heißen Trage reicht gerade noch, um durch die Mini-Streuobstwiese zu laufen, auf der verschiedene Obstsorten exemplarisch angebaut sind. Jetzt wird es Zeit für ein wenig Bewegung, die der Wirbelwind auf zwei Spielplätzen findet. Wem nicht der Sinn nach Austoben auf dem Spielplatz steht, der findet in direkter Nähe das Restaurant Botanico, in diesem Jahr von neuen, jungen Pächtern wieder eröffnet wurde. Übrigens: Camping-Fans, die nichts gegen ein wenig Publikumsverkehr einzuwenden haben, können kostenfrei auf einem der drei Stellplätze vor der Anlage übernachten und den Abend damit verbringen, sich an den Fernblicken sattzusehen.
Fazit
Idealer Ort für einen Halbtagesausflug. Perfekt mit dem Kinderwagen zu erkunden und auch an heißen Sommertagen immer einen Besuch wert - nicht nur für Gartenliebhaber. Denn wer bisher keiner war, der wird nach dem Besuch auf jeden Fall einer sein!
Freizeitzentrum Finkenrech
Tholeyer Straße 50
66571 Eppelborn-Dirmingen
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